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Rezepte und Regeln für Jedermann

Ich unterhalte mich häufig mit anderen Trainern und Rednern und wir stellen immer wieder fest, dass sich die Zuhörer und Teilnehmer förmlich nach einfachen Rezepten verzehren. Das Leben ist schon kompliziert genug, da gib mir doch zumindest eine Regel, wie ich einen wütenden Menschen schnell beruhige oder ein Rezept, nach dem ich erkenne, ob mich mein Gegenüber anlügt oder nicht.

Mehr Sicherheit

Ich kann gut nachvollziehen, dass es Ihnen mehr Sicherheit gibt, wenn ich Ihnen sage, dass Sie sich für ein überzeugendes Auftreten hüftbreit hinstellen sollen, als wenn ich Ihnen sage: „Stehen Sie doch, wie Sie wollen.“ Die große Freiheit in allen Belangen führt schnell zu einer Überforderung. Daher ist es gut, wenn wir hier und da Hilfestellungen in Form von Regeln und Rezepten bekommen. Ich denke nur, dass diese auf Dauer nicht funktionieren.

Vor ein paar Tagen habe ich mit einem Vertriebsleiter gesprochen, der bei Präsentationen gerne von einem Fuß auf den anderen kippelt. Er steht zwar hüftbreit, aber schwankt die ganze Zeit so extrem vom rechten auf den linken Fuß als ob er auf einem Schiff steht. Der hüftbreite Stand wurde ihm für sein berufliches Auftreten als Regel beigebracht. Nach einer Weile merkte ich, dass er das privat aber nie macht. Vielleicht könnte er sogar auf die schwankende Übersprunghandlung verzichten, wenn man ihm seinen „privaten Stand“ lassen würde. Manchmal helfen Regeln wie in diesem Fall offenbar nur kurzfristig und sind langfristig eher ein Hindernis.

Trauma wurde als Lüge “entlarvt”

Richtig haarig wird es, wenn die Mitmenschen nur noch auf die Regeln achten, die sie einmal gelernt haben und in Folge davon ihr Bauchgefühl komplett ignorieren. Vor vielen Jahren war ich mit einem Kommunikationstrainer zusammen. Nach einigen Wochen erzählte ich ihm von einem schlimmen Trauma, das ich erlebt habe. Ich dachte, so eine Offenheit sei wichtig für eine vertrauensvolle Beziehung. Ich sehe es noch genau vor mir: Wir saßen in seinem Wohnzimmer. Ich auf einem Stuhl am Esszimmertisch und er auf einem Sessel. Ich heulte, zitterte und erzählte ihm alles von vorne bis hinten. Er saß ganz ruhig da. Als ich fertig war, schaute er mich an und meinte: „Isabel, ich würde dir ja echt gerne glauben, … aber du hast in die falsche Richtung geschaut.“

Das dürfen Sie jetzt erst einmal sacken lassen, aber zur Erklärung: Es gibt Regeln, die besagen, dass wir immer in die linke Richtung schauen, wenn wir über die Vergangenheit reden und in die rechte, wenn wir über die Zukunft sprechen. Da mein Trauma in der Vergangenheit lag, war es also „falsch“, dass ich nach rechts oben geschaut habe. Dass aber natürlich nicht jeder Mensch nach links schaut beim Sprechen über die Vergangenheit, kam für ihn nicht infrage. Ich verhielt mich einfach nicht regelkonform und daher war ich für ihn unglaubwürdig.

Finden Sie Ihre Tipps

Wenn die Menschlichkeit verloren geht, weil wir uns in die vermeintliche Sicherheit von Regeln und Rezepten stürzen, dann reden wir nicht mehr von guter Rhetorik. Wenn Sie also einen Tipp bekommen, dann probieren Sie ihn gerne aus. Wenn er sich gut anfühlt, dann behalten Sie ihn bei. Wenn Sie allerdings merken, dass Sie damit nicht klar kommen oder dadurch auf einmal andere Macken entwickeln, dann lassen Sie die Finger davon. Und behalten Sie stets im Hinterkopf, dass keine Regel für jeden gleichermaßen gilt. Verschränkte Arme sind nicht immer Ablehnung, nach links schauen ist nicht immer Reden über die Vergangenheit und ein hüftbreiter Stand ist nicht immer überzeugend.

Ich wünsche Ihnen einen wunderschönen Herbst mit den für Sie passenden Regeln und Rezepten.

Herzlichen Gruß
Isabel García

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