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Lymphdrainage beim Lipödem – Sinnvoll oder Schwachsinn?

Ich habe zu dem Thema die Physiotherapeutin Britta Pietsch aus Bad Krozingen interviewt.

 

Was bringt die Lymphdrainage wirklich?

Isabel García: Sie arbeiten schon seit 15 Jahren als Physiotherapeutin. Sie haben schon viele Lipödembetroffene behandelt. Haben Sie rückblickend das Gefühl, dass die Lymphdrainage geholfen hat?

Britta Pietsch: Die MLD (Manuelle Lymphdrainage) hat den Patientinnen in sofern geholfen, dass sie im Anschluss das Gefühl von leichteren Beinen angegeben haben und die Schmerzen etwas zurück gegangen sind. Ich stelle mir als Therapeutin aber mittlerweile die Frage, ob die Erleichterung wirklich alleine durch die MLD zustande kommt, oder ob nicht auch ein großer psychologischer Faktor eine Rolle spielt.

Bei der MLD bin ich als Therapeutin 45- 60 Minuten für die Patienten da. Ich höre zu, bin nur für diese Person präsent, tue mit meinen Händen Gutes und sorge damit auch für Entspannung. Reduziert das nicht auch die Schmerzen? Ich glaube, das diese Faktoren eine viel größere Rolle spielen als die MLD.

 

Was? Keine Lymphdrainage mehr?

Isabel García: Was meinen Sie, warum so viele Lipödembetroffene gerne regelmäßig Lymphdrainage hätten? Und entsetzt sind, dass es beim Lipödem kaum noch verschrieben wird?

Britta Pietsch: MLD ist etwas ganz Angenehmes. Man liegt fast eine Stunde gemütlich auf einer Bank und tut sich etwas Gutes, bzw. lässt Gutes tun. Wer von uns gönnt sich das einmal pro Woche ohne Rezept aus eigener Tasche? Natürlich sind die Damen da nicht begeistert wenn es wegfällt. Und wann ist in unserem Alltag Jemand eine Stunde nur für uns da? Nur für uns ganz alleine? In meinen Augen ist die MLD aber nicht die Lösung für das Lipödem!

 

Wie ist eine Verbesserung möglich?

Isabel García: Haben Sie auch Frauen kennengelernt, bei denen sich das Lipödem rasant verbessert hat? Und wenn ja, wissen Sie wie diese Frauen es geschafft haben?

Britta Pietsch: Deutliche Veränderungen des Lipödems sehen wir immer, wenn die Frauen über lange Zeit die Ernährung umstellen. z.B. die Kohlenhydrate und den Zucker reduzieren oder sich antientzündlich ernähren, und wieder Sport machen. Interessanterweise wird dann auch ein Rückgang der Schmerzen angegeben. Leider fallen die meisten wieder in alte Ess-Verhaltensmuster zurück.

 

Lipödem = schlechte Laune?

Isabel García: Es gibt eine Theorie, dass die vielen entzündeten Fettzellen für eine Übersäuerung sorgen und dies einer der Gründe sei, warum so viele Betroffene mit Melancholie, Depressionen oder auch Wut und Frust zu kämpfen haben. Ein Arzt sagte zu mir, dass kaum eine Lipödempatientin im Anfang der Behandlung fröhlich in seine Praxis kommt. Wie ist Ihre Erfahrung?

Britta Pietsch: Das kann ich nicht behaupten. Das kann aber auch daran liegen, das die Damen sich auf die MLD freuen und darum vergnügt zu uns kommen. Im Gespräch kristallisiert sich aber immer wieder heraus, daß viele aus unterschiedlichen Gründen  traumatisiert oder durch Dauerstreß überfordert sind und wenig Zeit haben sich um sich zu kümmern bzw. sich wenig Zeit für sich nehmen. Die Frauen sind oft gefrustet, weil sie mit ihrem Körper unzufrieden sind und Frust macht wiederrum Streß.

 

Sinnvolle Lymphdrainage

Isabel García: Wann halten Sie eine Lymphdrainage absolut für angebracht?

Britta Pietsch: Bei Patienten mit einem Lymphödem. Ob es nun sekundär, durch einen Unfall, eine Krebserkrankung oder auch durch Übergewicht hervorgerufen wurde, das Wasser und die Eiweiße müssen hier durch MLD aus dem Gewebe heraus gebracht werden. Anschließend sollten die betroffenen Arme oder Beine mit flachgestrickten Kompressionstrümpfen versorgt werden.

 

Tipps der Expertin

Isabel García: Was für Tipps geben Sie Lipödempatientinnen?

Britta Pietsch: Ich kann jedem nur empfehlen mit Diäten aufzuhören. Besser ist eine Ernährungsumstellung auf Dauer! Im Vordergrund sollte stehen, das Gewicht zu halten. Sport halte ich für sehr wichtig. Erlaubt ist was Spaß macht. Es sollte aber nicht zum Zwang werden. Das Wasser ist ein tolles Medium, es massiert beim Bewegen das Gewebe und der Trainingseffekt ist bekanntlich höher als beim Training an Land. In meinen Augen ist es wichtig ins Spüren zu kommen. Spüren welche Nahrung gut tut, welches Mass an Bewegung gut tut und daraufhin den eigenen Weg zu finden. Es gibt kein Schema F, dafür sind wir alle zu unterschiedlich. Am wichtigsten ist generell die Eigenverantwortung.

Achtung: Nicht alle Frauen mit umfangreichen Beinen haben ein Lipödem!!  Ich habe zur Zeit das Gefühl, das Frauen „krank“ gemacht werden, obwohl sie das gar nicht sind.
Frauen sollten anfangen sich mehr selber zu lieben und aufhören sich nur über ihren Körper zu definieren. Leichter gesagt als getan, ich weiß !
Ob 60 kg oder 150 kg hinter jedem Lipödem oder Lipohypertrophie steckt doch ein liebenswerter Mensch mit meist tollen und
wunderbaren Fähigkeiten. Den Focus auf diese Fähigkeiten zu lenken, das ist in meinen Augen erstrebenswert, um mit einem echten Lipödem zu leben. Und natürlich auch für alle anderen!

 

Flachstrick für jede Betroffene?

Isabel García: Es wird gerne gesagt, dass Lipödempatientinnen erst eine Lymphdrainage brauchen und danach sofort die Kompression anziehen sollen. Dies gilt in einigen Praxen noch als konventionelle Therapie. Was ist Ihre Erfahrung mit dieser Behandlungsweise?

Britta Pietsch: Den meisten Lipödem Patienten tut die Kompression gut. Die Schmerzen gehen in der Kompression zurück und die Frauen fühlen sich eingepackt. Je nach Fall finde ich die Flachstrickversorgung manchmal zu viel. Am Ende ist es jedoch entscheidend womit die Betroffene sich wohl fühlt und was ihr persönlich gut tut.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare

  1. Ich bin auch seit 15 Jahren betroffen.Zumindest weiss ich seitdem von der Diagnose…
    Mir sagte der ProfTiedjen in Bochum damals, dadurch dass ich festes Gewbe habe würden die optischen Auswirkungen bei mir wohl nicht extrem werden können Dafür hätte ich dann die deutlich schmerzhafter Variante…
    Was für mich gar nicht n Betracht kommt sind Kompressionsstrümpfe.Sie machen mich wahnsinnig und fügen mir noch mehr Schmerz zu..Ich ernähre mich gesund kann aber durch einen Unfall bedingt nicht mehr normal Sport machen…
    Ich hätte gerne, dass die Forschung bei 4000 000 Betroffenen mehr für die Ursachen interessiert statt für Symptombehandlung…sind es hormonelle Störungen? Funktioniert ein Botenstoff im Gehirn nicht?
    Es wird so viel Geld in Forschung gepumpt.Bitte doch auch mal für uns!

    1. Liebe Petra,

      ich hoffe auch, dass bei der Forschung bald mehr raus kommt. In der Tat gibt es ja hier und da durchaus viel Energie, die in die Forschung gesteckt wird. Das hilft uns aktuell nicht, aber es wird in der Zukunft den Betroffenen helfen.

      Lieben Gruß
      Isabel

  2. Liebe Isabel, überhaupt nicht ahnend und völlig überrascht, dass das Thema „Lipödem“ ein dir so vertrautes ist, bin ich zunächst auf dein Buch und dann auf diesen Blog gestoßen. Seit Jahren -um nicht zu sagen: mein ganzes mir „bewusstes“ Leben über- hadere ich mit diesem Phänomen: Der Weg ging zunächst über ein schwaches Bindegewebe über immerwährendes (wenn auch mal mehr, mal weniger starkes) Übergewicht, hin zum Lip- und schließlich zum Lip- Lymphödem in seiner „Bestform“, wenn ich es so sagen darf. Übergänge fließend. Leiden permanent. Und so stöbere und grüble ich auch immer wieder in und über des Netzes endlosen Weiten, um irgendwo mal irgendwas zu finden, abseits des immer Wiedergekäuten zu diesem Thema. Weil ich mich absolut nicht einreihen und auch nicht abfinden mag mit dem, was man so landläufig liest. Womöglich ist es dumm und leichtsinnig – aber ich bin so sehr auf der Suche nach meinem ganz eigenen Weg durch all das hindurch! Und: Liebe Petra (von etwas „weiter oben“): Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich alleine dafür bin, deine Zeilen über die Kompressionsstrümpfe hier gelesen zu haben! Die erste, der es ergeht wie mir!! Ich ertrage dies Strümpfe nicht, sie machen mich wahnsinnig! Und ich frage mich, wie mir etwas gut tun soll, gegen das ich mich im tiefsten Inneren so sehr sträube!? Und ja, ich habe es versucht. Oft. Lange und viele Stunden. Und ebenfalls: Ja, die Dinger wurden mir bestmöglich angepasst. Und trotzdem gibt es keine spürbare Erleichterung, weder kurz- noch langfristig. Von den (gefühlt: noch zusätzlichen!) Schmerzen ganz zu schweigen. Auch wenn ich mich dagegen wehre – immer wieder überall zu lesen, Kompression sei das A und O, dann wiederum mich vor Augen zu haben, die derzeit jede Kompression meidet, weil es für mich nicht auszuhalten ist, n o c h mehr Druck zu haben: Das macht Angst. Und im Grunde lehne ich es ab, mir Angst machen zu lassen! Das ist der nächste kleine Revoluzzer in mir! Ich bin mir sowas von sicher, dass ich es schaffen kann, auch ohne Kompressionsstrümpfe! Und vor allem auch ohne diese vielen, meist wenig wohlwollenden Stimmen von irgendwelchen Lympho-, Phlebo-, oder sonstigen Logen, die einem einflüstern wollen, dass es sukzessive jetzt nur noch bergab gehen würde. Mitarbeiter in Sanitätshäusern machen das ja übrigens ähnlich gerne, dieses „Bange-Machen“ (aber vielleicht gehört das auch dazu, wenn man mit diesen Flachgestrickten was verkaufen muss, was von seiner Natur her erstmal einer der größten Ladenhüter sein dürfte. Bangemachen fördert da vermutlich nur den Umsatz). Und ich frage mich dann immer, woher die alle so supergenau wohl wissen, wie m e i n e (!!) Zukunft aussehen wird… Ich bleibe also zuversichtlich. Auch ohne dicke Strümpfe, wenn es erlaubt ist. Weil ich weiß, dass mein Körper sich verändern KANN! Und zwar sowohl in die eine, wie auch in die andere Richtung. Denn nichts ist wirklich manifest. Und ich hoffe, dass sich diese Zuversicht irgendwann/demnächst auch wieder leichter anfühlt, leichter zu erlangen ist. Und auch die Außenwelt darf gern ein bisschen mehr dazu beitragen! So ein Blog wie dieser, der ganz offenbar ein Forum für jene Stimmen bietet, welche nicht ganz so lautstark, dafür aber eindringlich und ein wenig „anders“ klingen, ist da ein ganz wunderbarer Mittler!

    1. Liebe Anja,

      wenn du mein Buch gelesen hast, dann weißt du ja, dass ich keine Kompression trage. Und dass dies für mich auch kein A und O ist. Und dass die Krankheit nicht zwangsläufig schlimmer wird. Somit ist Bange-Machen unsinnig. Denn du hast es in der Hand. Und du WIRST deinen eigenen Weg finden.

      Alles Liebe
      Isabel

  3. Vielen Dank für diesen umfassenden Beitrag zum Thema Lymphdrainage. Zweckdienlich ist sie anscheinend zur Therapie von Ödemen oder Entstauungen. Das diese Behandlungsmethode auch bei Verbrennungen, Schleudertrauma etc. angewandt wird war mir gänzlich neu. Vielen Dank für diesen Beitrag!

  4. Ich klage derzeit auch über zunehmende Schmerzen aufgrund eines Lipödem. Die manuelle Lymphdrainage scheint eine gängige Therapiemethode zu sein. Mich überzeugt vor allem, dass die Schmerzen reduziert werden und man das Gefühl von leichteren Beinen kriegt. Vielen Dank für die Bereitstellung dieses Interviews.

    1. Liebe Estefania,

      oh je. Es tut mir leid, dass du gerade solche Schmerzen hast. Wenn die MLD dir etwas bringt, dann gehe ruhig weiter hin, solange es bezahlt wird. Es wird allerdings am Lipödem nichts ändern. Es hat nur einen sehr kurzfristigen Effekt, weil Lipödembetroffene meistens kein Problem mit den Lymphen haben.

      Ich war gerade auf einem Lip- und Lymphödemkongress in Bad Krozingen mit vielen Spezialisten und die waren sich zu 95 Prozent einig, dass die MLD beim Lipödem nichts bringt.

      Was etwas bringt: Stress rausnehmen. Sowohl im Job, als auch im Privatleben mit dem Lipödem. Dann Sport und gesunde Ernährung. Dies sind die drei wichtigsten Möglichkeiten, um die Schmerzen deutlich zu reduzieren. Auch Achtsamkeitstraining ist sehr wirkungsvoll.

      Ich hoffe, du hast in meinem Buch genug Tipps gefunden, die dir weiter helfen. Melde dich gerne, wenn du noch weitere Fragen hast.

      Herzlichen Gruß
      Isabel

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